Kathrin Amacker ist zurzeit die einzige Frau in der SBB-Konzernleitung. Zuvor war sie, als erste Frau überhaupt, in gleicher Funktion bei der Swisscom tätig. Seit vielen Jahren setzt sie sich ein für Gleichstellung in den Führungsetagen.
Frau Amacker, in der Schweiz sind Frauen in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten nach wie vor dünn gesät. Was denken Sie, woran könnte das liegen?
Kathrin Amacker:Das ist wohl ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren, die tief in unserer Sozialisierung verwurzelt sind. Der Spielraum von Frauen in der gesellschaftlichen Positionierung ist grundsätzlich kleiner als derjenige von Männern. Selber habe ich das zum Beispiel so erlebt, dass ich mich sowohl für meine drei Kinder als auch für mein 100-Prozent-Arbeitspensum rechtfertigen musste, während mein Mann für seine Pensumsreduktion gelobt wurde. Im Fachjargon spricht man vom «Double Bind»-Dilemma oder von der Zwickmühle der Frauen. Egal, was man tut, es stellt sich immer die Frage: Mache ich es richtig oder falsch?
Wie könnte der Frauenanteil erhöht werden?
Ich bin kein Fan unendlicher Optimierungsversuche bei äusseren Rahmenbedingungen.
Die bei weitem wichtigste Massnahme ist, Frauen konsequent für Führungspositionen zu nominieren. Dabei darf man durchaus mutig vorgehen: Frauen müssen nicht immer überdurchschnittlich erfolgreich sein nach einer Beförderung, genauso wie Männer das auch nicht sind.
Ich bin zudem dafür, dass die Erhöhung des Frauenanteils in der Wirtschaft verbindlich geregelt wird, wobei die Unternehmen dies selbst tun sollen. Es wäre schade, wenn die Politik da verbindlich eingreifen müsste. Für mich ist klar: Langfristiger Erfolg wird nur durch eine breite Akzeptanz im Unternehmen und eine entsprechende Unternehmenskultur erreicht.
In der SBB-Konzernleitung sind Sie die einzige Frau. Sollte die SBB, als Bundesunternehmen, das Thema Gleichstellung nicht ernster nehmen?
Die SBB nimmt das Thema ernst und engagiert sich im Bereich der Frauenförderung. Bereits 1993 trat das Reglement über die Gleichstellung von Mann und Frau in Kraft, dieses ist seit 2001 auch im Gesamtarbeitsvertrag festgehalten. Die SBB bietet für Frauen spezielle Führungsausbildungen, Mentoring Programme und Netzwerke an. Bei den strategischen Nachfolgeplanungen wird ein besonderes Augenmerk auf die Laufbahnentwicklung von Frauen gelegt.
Die SBB hat sich zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil in Führungspositionen bis 2020 deutlich zu steigern und demjenigen in der übrigen Belegschaft anzugleichen. Eine wichtige Entwicklung gibt es im SBB Verwaltungsrat: Vor wenigen Jahren gab es in diesem Gremium eine einzige Frau, heute sind es drei. Das entspricht 33 Prozent.
Nach wie vor verdienen Männer in einigen Berufen mehr als Frauen. Wie kommt es, Ihrer Meinung nach, dass sich solche Strukturen so hartnäckig halten?
Die Statistiken zeigen klar auf, dass beim Vergleich der Löhne von Frauen und Männern unter Berücksichtigung von Ausbildung, Hierarchiestufe, Alter und Erfahrung eine unerklärliche Differenz von 8 – 10 Prozent zu Ungunsten der Frauen verbleibt. Das nennt man Diskriminierung. Seit Einführung des Gleichstellungsgesetzes im Jahr 1996 ist in der Schweiz eine solche Diskriminierung nicht mehr tolerierbar. Statt sich in Diskussionen über Messmethodiken zu verlieren, ist Handeln angesagt. Nach über 20 Jahren gesetzlicher Verpflichtung müsste der Beweis für eine glaubwürdige Selbstregulierung jetzt angetreten sein.
Hätten Sie einen Zauberstab, was würden Sie sich wünschen?
Dass in allen Führungsgremien von Politik, Behörden, Verbänden und Wirtschaft mindestens 30 % Frauen sind. Ganz ohne Quote und mit gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit.
Bild: Christine Strub
Kathrin Amacker, SBB-Konzernleitung
Kathrin Amacker, Wikipedia