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Emma Coradi-Stahl

Emma Coradi-Stahl (1846 – 1912)  gründete 1893 die Zeitschrift «Schweizer Frauenheim». Sie gehörte zu den Gründerinnen des Schweiz. Gemeinnützigen Frauenvereins.

1892 referierte Coradi-Stahl als Expertin für Handarbeitsfragen an der Gewerbeausstellung in Basel und forderte von Bund und Kantonen finanzielle Unterstützung für die Mädchenfortbildung. 

1896 ernannte der Bundesrat Emma Coradi-Stahl zur eidg. Expertin für das gewerbl. und hauswirtschaftl. Bildungswesen. Sie beaufsichtigte in dieser Funktion die subventionierten Mädchenfortbildungsschulen und besuchte Fachkongresse im Ausland.

Emma Coradi-Stahl verfasste mehrere beliebte Werke über die Haushaltungsführung und redigierte bis an ihr Lebensende die von ihr 1893 gegründeten Zeitschrift “Schweizer Frauenheim”.

Weitere Informationen:

Historisches Lexikon der Schweiz

Wikipedia

Interreligiöser Think-Tank

Amira Hafner-Al Jabaji ist muslimische Islamwissenschaftlerin und Moderatorin bei «Sternstunde Religion». Im Jahr 2011 erhielt sie den Anna-Göldi-Preis. 2016 wurde ihr der Fischhof-Preis der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) und der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) für ihren langjährigen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben verliehen.

Frau Hafner-Al Jabaji, gemeinsam mit der der christlichen Theologin Doris Strahm und der Judaistin Annette M. Böckler haben Sie den «Interreligiösen Think-Tank» gegründet. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Amira Hafner-Al Jabaji: Das ist nur zum Teil richtig. Doris Strahm und ich bildeten lediglich den christlichen und muslimischen Teil des Gründungsteams. Die Idee und Vorarbeit von jüdischer Seite wurde von Eva Pruschy mitgetragen, die aber kurz vor der offiziellen Gründung ausstieg. Das jüdische Gründungsmitglied war Gabrielle Girau Pieck. Annette Böckler hat 2017 ihre Nachfolge angetreten.

Zur Idee und Entstehung: In den frühen 2000er Jahren fanden in der Schweiz mehrere «Interreligiöse Theologiekurse für Frauen» statt, die wichtigen Einsichten zu Judentum, Christentum und Islam und zum Dialog zwischen den Religionen aus weiblicher Perspektive lieferten. An diesen Theologiekursen hatten die meisten der ITT-Gründungsfrauen aktiv mitgearbeitet und viel Erfahrung und Wissen über die Herausforderungen und Dynamiken in interreligiösen Dialogsituationen erworben. Diese Erkenntnisse waren so grundlegender Art, dass bei uns die Idee aufkam, man müsse sie auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Gründung des ITT erfolgte 2008 zudem kurz nachdem der «Rat der Religionen», ein reines Männergremium, das aus lauter Vertretern religiöser Institutionen besteht, lanciert wurde. Da der interreligiöse Dialog generell von Männern dominiert war, wollten wir ein interreligiöses Gefäss schaffen, das der Perspektive von Frauen zu Sicht- und Hörbarkeit verhilft und das nicht nur religiöse Institutionen, also Kirchen, jüdische und muslimische Organisationen etc., repräsentiert. So versteht sich der Interreligiöse Think-Tank als institutionskritisch, was die religiösen Institutionen betrifft, und er legt seinen Fokus auf interreligiös-theologisch-feministisch-politische Themen.

Was kann man sich unter einem interreligiösen Think-Tank vorstellen? Was tun Sie konkret?

Wir mischen uns in die öffentlichen Debatten ein und publizieren auf unserer Website www.interrelthinktank.ch Stellungnahmen zu religions- und gesellschaftspolitischen Themen, wir bringen biblische und koranische Positionen zu aktuellen Themen und Fragestellungen in einen Dialog (aktuell zum Thema Ökologie), analysieren die Situation und das Potential von Frauen in ihren Religionsgemeinschaften, reflektieren und publizieren über das Verhältnis von Religion und Frauenrechten. Im «Leitfaden für den Interreligiösen Dialog», der bislang erfolgreichsten Publikation des Think-Tanks, legen wir dar, wie praktische, theologische und rhetorische Stolpersteine bei der Planung und Durchführung von Dialogveranstaltungen zu erkennen und zu vermeiden sind. Positiv ausgedrückt, was es zu beachten gilt, um einen erfolgreichen und nachhaltigen Dialog zwischen Angehörigen verschiedener Glaubensgemeinschaften zu etablieren. In diesem Sinn begleiten und beraten wir auch Organisationen, die sich mit interreligiösen Fragen beschäftigen.

Wie steht es in den verschiedenen Religionen um die Gleichstellung der Frau? 

Das kommt darauf an, was genau man unter Religion in diesem Zusammenhang verstehen will. Sind es die Aussagen in den religiösen Quellen, insbesondere in Bibel und Koran? Oder die über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende gewachsenen, meist patriarchalen Strukturen und Traditionsgeflechte? Oder meinen wir die reale Situation von Frauen in Gesellschaften, in denen eine bestimmte religiöse Weltanschauung vorherrscht? 

In den Quellen finden wir ambivalente Aussagen. Solche, die das Patriarchat stützen und somit die Herrschaft des Mannes und die den Rang des Mannes über den der Frau stellen, und andere, die die Gleichstellung und Gleichwertigkeit der Geschlechter postulieren. Was in allen Religionen gleich ist: Die Macht zur Auslegung von religiösen Quellen lag stets bei den Männern. So haben Interpretationen, die die männliche Vormachtstellung zementieren, über weite Strecken die Geschichte und die Traditionen bestimmt. Heute ermächtigen sich Frauen in Judentum, Christentum und Islam vermehrt dazu, die Quellen selbst zu lesen und zu interpretieren und damit die männliche Definitionsmacht aufzubrechen und grundlegende Veränderungen zu bewirken.

Interessante und vielleicht für manche auch überraschende Unterschiede haben wir in unserer Studie über Leitungsfunktionen von Frauen in jüdischen, christlichen und muslimischen Gemeinschaften gefunden. Hier zeigt sich, dass nur gerade in den evangelisch-reformierten Kirchen Frauen gänzlich den gleichen Zugang zum Leitungsamt haben wie Männer und dies von den Theolog*innen wie auch von der Basis gestützt wird. In Judentum und Islam stehen zumindest theoretisch und theologisch ebenfalls keine Hindernisse im Weg, Rabbinerin bzw. Imamin zu werden. Hier ist die fehlende Akzeptanz in weiten Teilen der Basis dieser beiden Religionsgemeinschaften ausschlaggebend für die sehr zögerliche Entwicklung in Richtung weiblicher Leitungspersonen. Einzig im römisch-katholischen Christentum sind es theologische Argumente, die bis heute gegen die Frauenordination ins Feld geführt und als unveränderlich ausgegeben werden. Frauen werden hier allein aufgrund ihres Geschlechts vom sakramentalen Weiheamt und damit von allen klerikalen Leitungsfunktionen ausgeschlossen. Dies, obwohl die Akzeptanz weiblicher Priesterinnen zumindest bei uns in Westeuropa an der Basis gross wäre.

Jede Religion, aber auch jede Gesellschaft, hat für sich zudem ihre spezifischen Themen und Problemfelder im Bereich Religion und Frauendiskriminierung. Nach jüdischem Recht etwa kann sich die Frau nur mit Einwilligung des Mannes scheiden lassen. Nach islamischem Recht erben weibliche Nachkommen nur die Hälfte dessen, was männliche Nachkommen erben, um zwei konkrete Beispiele zu nennen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es nicht vornehmlich religiöse Anschauungen sind, die zu den krassesten Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen führen, sondern ökonomische und soziale Umstände, die zum Beispiel ein Bildungsmanko erzeugen, das sich häufig einseitig zu Lasten der Frauen auswirkt. Frieden, Bildung und Wohlstand sind die wichtigsten Aspekte, um die Situation von Frauen zu verbessern.

War das früher auch so? 

Der ökonomische und soziale Aspekt hatte stets Einfluss auf Gendergerechtigkeit. Aber es gibt tatsächlich auch Rückschritte bezüglich der religiösen Gleichstellung von Frauen im Vergleich zu früheren Epochen, zumindest im islamischen Kontext. Muslimische Frauen hatten in der frühislamischen Zeit etwa keine Restriktionen, die Moschee zu besuchen. Das ist heute, im 21. Jahrhundert, zum Teil anders. Da werden z.B. Kapazitäts- und Platzprobleme vorgeschoben und den Frauen ihren zunächst zugesicherten Platz zum Beten wörtlich streitig gemacht. Auch war es durchaus üblich, dass Frauen in der islamischen Frühzeit als Politikerinnen, Ratgeberinnen, Gelehrte und Führerinnen fungierten. Heute dürfen Frauen oft «dankbar» sein, wenn sie in Moscheeleitungen in einem Untergremium «Frauenthemen» beratschlagen dürfen. So gesehen sind muslimische Frauen heute in zweifacherweise Weise Diskriminierungen ausgesetzt: in der eigenen Gemeinde und in unserer Gesellschaft, wenn sie ihnen etwa Zugänge zu Beruf und öffentlicher Präsenz erschwert, falls sie Kopftuch tragen.

Für christlich sozialisierte Frauen in Westeuropa hat die Säkularisierung durchaus Fortschritte gebracht. Recht und soziale Normen haben sich hier zunehmend ausserhalb und oft auch in Widerspruch zu kirchlichen Positionen verändert. Wie erleben aber auch heute noch die Reibungen, die bei diesem Prozess entstehen, etwa bei der Abtreibungsfrage. Im Moment beobachte ich, dass sich in Europa so etwas wie ein ausserkirchliches Christentum-Verständnis entwickelt. Hier sind es vor allem Frauen, die aus Frustration und Hoffnungslosigkeit aus der römisch-katholischen Kirche austreten und dennoch ein dezidiertes christliches Selbstverständnis haben, das sie auch in (neuen) Formen der Praxis leben wollen. Wir leben also in einer höchst spannenden Umbruchszeit und historisch komplexen Situation, was die Religionsfrage in unserer Gesellschaft betrifft. Ich bin überzeugt: Frauen werden in diesem Prozess eine (ge-)wichtige und gestaltende Rolle spielen.

Foto: Laurent Burst

Interreligiöser Think-Tank
Amira Hafner-Al Jabaji, Sternstunde Religion, SRF

Antoinette Quinche

Antoinette Quinche (1896 – 1979) war die erste selbstständig praktizierende Anwältin im Kanton Waadt. Von 1932-59 amtierte sie als Präsidentin der Association vaudoise pour le suffrage féminin, ab 1928 im Zentralvorstand und 1945-51 Vizepräsidentin des Schweiz. Verbands für Frauenstimmrecht, Präsidentin des 1945 gegründeten schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht, 1937-52 Präsidentin der Gesetzesstudien- und Versicherungskommission des Bundes Schweiz. Frauenvereine, Mitglied der eidgenössische Expertenkommission für die Revision des Bürgerrechtsgesetzes.

Quinche war Gründerin der FDP-Frauengruppe Lausanne. Sie verlangte 1956 per Rekurs ans Bundesgericht die Einführung des Frauenstimmrechts ohne Verfassungsänderung.

Weitere Informationen:

– Historisches Lexikon der Schweiz

Wikipedia

Frauenräume – auch heute!

Lou-Salomé Heer und Bettina Stehli sind Historikerinnen. Ihr Verein «Die Historikerin» fördert feministische und Frauen-Geschichte mit Bezug zur Schweiz. Sie sind Teil der fraum*, des Frauen*Zentrums in Zürich.

ES BRAUCHT RÄUME FÜR DIE BEZIEHUNGEN UNTER FRAUEN –  AUCH HEUTE!

Frau Stehli, Frau Heer, Sie schreiben die Geschichte der Villa Kassandra, einem Bildungs- und Ferienzentrum von und für Frauen in den 1980/90er-Jahren: Warum ist diese Geschichte wichtig?

Lou-Salomé Heer: Die Geschichte der Villa Kassandra ist hochaktuell, denn es geht um nichts Geringeres als um die Bedeutung von Frauenräumen für eine feministische politische Praxis. In Damvant, im Kanton Jura, hatten Frauen gemeinsam ein Haus erworben, renoviert und einen Ort geschaffen, an dem zwischen 1986 und 1995 Frauen aus unterschiedlichen Frauenszenen zusammenkamen. Sie gaben Wissen weiter, vernetzten sich, feierten und stritten gemeinsam, erprobten andere Arbeits- und Lebensformen. Es ging um Handlungsraum, Selbstbestimmung und Ermächtigung, um die Erfahrung, was Frauen unter sich gemeinsam schaffen können. Das ist nicht als Rückzug von der Welt zu verstehen, im Gegenteil. Vielmehr ging es darum, überhaupt ein Gefühl der eigenen Existenz zu bekommen in einer Welt, die nicht auf Frauen als handelnde Subjekte mit eigenen Vorstellungen gewartet hat. In der Villa Kassandra entstanden Netzwerke und Beziehungen unter Frauen, die bis heute nachwirken. Das Bildungs- und Kursangebot war sehr breit und die Frauensommeruniversitäten, die in der Villa Kassandra stattfanden, griffen Themen auf, die an Brisanz bis heute nichts verloren haben: Gen- und Reproduktionstechnologien, Rassismus und Eurozentrismus in der Frauenbewegung oder die internationale Geldpolitik und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse.

Bettina Stehli: Eine Frau beschrieb die Villa Kassandra einmal als Katalysator, bei einer anderen Gelegenheit als Durchlauferhitzer. Beides Bilder der Beschleunigung und Umwandlung. Das war so für einzelne Frauenleben und für die damalige Frauenbewegung. Dieselbe Frau erzählte uns, dass sie nach der Rückkehr aus der Villa Kassandra fünf Zentimeter über dem Boden schwebte. Ihr Mann wurde eifersüchtig, er verdächtigte sie einer Liebschaft. Gewissermassen stimmte das, aber noch viel fundamentaler als der Mann fürchtete: Sie hatte die Frauen entdeckt und die Liebe zu ihnen und damit zu sich selbst. Die Frauenliebe, die Liebe von Frauen untereinander, die Liebe der Frauen zu sich selbst, zum eigenen Körper, wurde in der Villa Kassandra unerschrocken erkundet. Dieses Feld spannten auch die Frauen auf, die für sogenannte «spirituelle» Kurse in die Villa Kassandra kamen. Viele dieser Frauen lebten eine radikale Befreiung des eigenen Körpers und Denkens aus der patriarchalen Herkunft. Ihre Auseinandersetzung mit der Religion war für sie ein Sprungbrett in eine Kühnheit des feministischen Engagements, die uns heute ein Vorbild ist. In der Villa Kassandra stellten sie zum Beispiel die Frage nach der Bedeutung lesbischer Existenz für alle Frauen.

2) Wie ist die Villa Kassandra in der damaligen Frauenbewegung zu verorten? 

Lou-Salomé Heer: Die Kassandra ist Teil einer internationalen Frauenkultur, die aus der Frauenbewegung der 1970er-Jahre entstanden ist mit Frauenbuchläden, Frauengesundheitszentren, Frauenbands, Frauenzentren, Zeitschriften. Sie ist Ausdruck einer politischen Praxis von Frauen mit Frauen für Frauen. Wir sind uns gar nicht bewusst, wie viele heute mehr oder weniger institutionalisierte Stellen aus dieser Frauenkultur und Projektpraxis entstanden sind. Frauenhäuser, Beratung für Migrantinnen, Beratungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt etc. Diese Geschichte muss weiter aufgearbeitet und unbedingt auch vermittelt werden.

3) Welche Fragen, die sich in der Villa Kassandra stellten, sind für Sie gegenwärtig von besonderer Bedeutung?

Bettina Stehli: Eine wichtige Spur liegt in einer Geschichte, die uns eine Frau aus einer Sommeruniversität in der Villa Kassandra erzählte. Bei den Sommerunis kamen jeweils Frauen aus verschiedensten Strömungen der Frauenbewegung zusammen, entsprechend wurde viel gestritten. Aber auch nach hitzigen Debatten hätten die Frauen zusammen in einer im Garten aufgestellten Wanne Körper an Körper gebadet. Dieses Bild ist für uns in mehrerer Hinsicht wichtig. Es zeigt, dass und wie Frauen aus unterschiedlichen Szenen und mit sich auch widersprechenden Ansichten miteinander in Austausch kommen konnten. In diesem Bild liegt eine Lust, die ein roter Faden ist für unser Nachdenken über die Kassandra und die Welt. Denn es gibt für Frauen einen Lustverlust an der Welt, der noch viel schwerer wiegt als Diskriminierungen, beziehungsweise die eigentliche Diskriminierung darstellt. «Dastehen im Leben der Gesellschaft ohne Lust, ohne Kompetenz und ohne Wohlbehagen.», so haben es die Frauen aus dem Mailänder Frauenbuchladen bereits 1983 formuliert und wir machen diese Erfahrung auch heute. Wie sich eine Frau die Lust bewahrt, wie sie dieser Raum gibt, wie es gehen könnte, «auf der Welt zu bestehen und vom FrauSein nichts aufzugeben» – das ist eine Frage mit viel Potential.

4) Welche Räume und welche Frauen sind Bezugspunkte für Ihr Denken und Ihre Arbeit als Historikerinnen? 

Bettina Stehli: Unsere Beschäftigung mit der Villa Kassandra entstand selbst in einem Frauenraum und ist ohne diesen gar nicht zu denken. Im Frauen*Zentrum in Zürich, fraum* genannt, erproben wir seit einigen Jahren eine Politik der Frauen – zum Beispiel mit Generationengesprächen. In diesen Gesprächen wurde immer wieder von der Villa Kassandra gesprochen und immer mit einem Leuchten in den Augen. Was ist in dieser Villa Kassandra passiert, dass sie noch heute ein lebendiger Bezugspunkt ist? Dem wollen wir nachgehen, denn wir brauchen auch heute solche Bezugspunkte, feministische Räume des Möglichen. Feministische Praxis ist immer auch Science Fiction – eine Arbeit an dem, was auch möglich sein kann und dafür ist die historische Auseinandersetzung ganz zentral.

Lou-Salomé Heer: Ein wichtiger Bezugspunkt ist für uns, wie gesagt, auch das Denken der Mailänderinnen, die seit 1975 die Libreria delle donne di Milano führen. 2016 konnten wir sie besuchen – mit einer Gruppe von Zürcherinnen und Berlinerinnen im Rahmen von Feminism Recaptured, einer Bildungsreihe in der fraum*. Das war für uns ein Wendepunkt. Wir sind früher vom Glaubenssatz ausgegangen «DEN einen Feminismus gibt es nicht», haben von Feminismen im Plural gesprochen, weil wir das als korrekt und respektvoll empfanden und es der wissenschaftlichen Einordnungslust entspricht: Hier haben wir den bürgerlichen Feminismus weisser Mittelschichtsfrauen, hier den Feminismus von Schwarzen Frauen und Women of Color, hier Queerfeminismus, da Differenzfeminismus und so weiter. Wir sitzen also mit dieser vermeintlich korrekten Haltung da und dann behauptet die Philosophin Luisa Muraro tatsächlich: «Es gibt nur einen Feminismus!» mit dem Nachsatz: «Der Feminismus ist ein Kampfplatz». Wir waren sprachlos. Aber es war auch eine Befreiung. DEN einen Feminismus gibt es sehr wohl. Es muss ihn geben, wenn wir gemeinsam politisch handeln wollen. Das heisst nicht, dass es nicht sehr unterschiedliche oder gar sich widersprechende Ansichten gibt, aber es heisst: Der Feminismus ist unsere Öffentlichkeit, es ist der Ort an dem wir uns begegnen, streiten, aushandeln, Perspektiven vertreten, Standpunkte wechseln, unser Handeln und Denken gemeinsam erweitern können. 

Fotos: Janice Shaw, «wir haben eine fraum»

Weiteres zur «Historikerin» und zur Villa Kassandra auf historikerin.ch. Das Buchprojekt zur Villa Kassandra kann über den Verein unterstützt werden. Das Frauen*Zentrum Zürich besteht seit 2013 in den Räumlichkeiten des alten Frauenzentrums an der Mattengasse 27, Veranstaltungen und Newsletter über fraum.ch. Die Libreria delle donne di Milano ist hier im Netz libreriadelledonne.it und auf FB. Der Nachlass zur Villa Kassandra befindet sich im Sozialarchiv Zürich.

Literaturhinweis: Gisela Jürgens & Angelika Dickmann. frauen – lehren. Mit «Mehr Frau als Mann», dem Grünen Sottosopra der Frauen des Mailänder Frauenbuchladens, übersetzt von Lilo Schweizer. Rüsselsheim 1996. 

Helene Thalmann-Antenen

(1906 – 1976) war eine Schweizer Juristin, Publizistin und Frauenrechtlerin.

Ab 1943 war sie Leiterin der Rechtsberatungsstelle des Bern. Frauenbunds. 1950-59 Präsidentin der Vereinigung bern. Akademikerinnen und 1959-62 des Schweizerischen Verbands der Akademikerinnen, Mitarbeit im internationalen Akademikerinnenverband. Vortragstätigkeit für die bern. Stimmrechtsbewegung. 1957-70 Mitarbeit in der Kommission für Rechts- und Versicherungsfragen des Bunds Schweizischer Frauenvereine. Ab 1969 Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Sozialpolitik. Mitarbeit in ausserparlamentarischen Kommissionen. Publikationen u.a. über Gesamtarbeitsverträge und die rechtliche Stellung der Frau.

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Historisches Lexikon der Schweiz

Germaine de Staël

Germaine de Staël (1766 – 1817), aus Genf, genoss eine Erziehung durch ihren Vater und den Pariser Salon ihrer Mutter, wo sie mit bedeutenden Autoren in Kontakt kam. Nach ihrer ersten Heirat eröffnete sie einen eigenen Salon, der im Vorfeld der Revolution eine rege Tätigkeit entfaltete.

Germaine de Staël passte nicht in das zeitgenössische Rollenbild der Frau. Statt eine unauffällige Existenz zu führen, prägte sie das politische und kulturelle Leben Frankreichs ab Ende des 18. Jh. Aufgrund des Erfolgs ihrer Werke, der Ausstrahlung ihrer Ideen, ihrer starken Persönlichkeit und ihrer Verfolgungen wurde Germaine de Staël zu einer europaweit bekannten Heldin.

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Alix Choisy-Necker

(1902 – 1979) Als engagierte Kämpferin für das Frauenstimmrecht leitete sie 1952 das Aktionskomitee für die Probeabstimmung unter den Genfer Frauen über die Einführung des Frauenstimmrechts und beteiligte sich nach Ablehnung des kantonalen Frauenstimmrechts 1953 an der Protestversammlung in Genf.

Choisy-Necker war Zentralpräsidentin des Schweiz. Verbands für Frauenstimmrecht, Mitarbeit im Aktionskomitee für die Abstimmung vom 1.2.1959. 1957-65 Mitglied der Stimmrechtskommission des BSF. Daneben v.a. im Bereich des Mutterschaftsschutzes tätig.

Historisches Lexikon der Schweiz