Simona Scarpaleggia ist Geschäftsführerin der IKEA Schweiz. Sie zählt zu den wenigen Frauen in der Schweiz, die es in eine Unternehmensspitze schafften.
Frau Scarpaleggia, als Sie vor mehr als 30 Jahren ins Berufsleben einstiegen, waren Sie die einzige Frau im Betrieb. Wie haben Sie das überstanden?
Ich musste sehr engagiert und organisiert sein, um eine gute Balance zwischen Familie und Berufsleben zu halten. Zu dieser Zeit realisierte ich, dass Frauen mit sehr vielen (strukturellen) Hürden innerhalb der Unternehmen zu kämpfen hatten, was ich als unfair empfand. Deshalb entschied ich mich, zu handeln, etwas zu tun, um diese Situation zu ändern.
Seit vielen Jahren unterstützen und fördern Sie Frauen in ihrem Berufsleben. Was ist heute anders als früher?
Die Gesellschaft hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, doch diese Umwandlung hat die Führungsetagen noch nicht ganz erreicht. Es ist an der Zeit, in den Unternehmen eine solide und faire Förder- und Einstellungspolitik einzuführen. Glücklicherweise ist das allgemeine Bewusstsein für die Situation der Frauen im Berufsleben heute viel höher, und das ist definitiv ein ermutigendes Zeichen.
Noch immer verdienen Frauen weniger für gleiche Arbeit. – Und typische «Frauenberufe», wie zum Beispiel Pflegearbeit, sind unterbezahlt. Wie könnte das geändert werden?
Generell muss Gleichstellung auf diversen Ebenen eingeführt werden: durch mehr Teilzeitstellen, durch Elternurlaub, etc. Der Lohn ist nur ein Teil des Puzzles – jedoch ein sehr wichtiger.
Unternehmen müssen ermutigt werden, ihr Vorgehen bei Personalentscheiden zu ändern. Sie sollten für Männer und Frauen dieselben Einstellungskriterien anwenden – auf allen Stufen. Einfach mehr Frauen einzustellen reicht nicht aus. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss durch geeignete Verfahren durchgesetzt werden.
Um diesen Wandel zu erreichen, ist es notwendig, die Prioritäten zu verschieben: Unternehmen und Wirtschaftssysteme müssen neu überdacht und gestaltet werden. Dies erfordert ein starkes Vorbild auf der Führungsebene. Auch die Politik spielt eine wichtige Rolle: Das kürzlich verabschiedete Gesetz über die Pflicht zur Lohnanalyse ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Was raten Sie jungen Frauen, die sich sowohl Karriere als auch Familie wünschen?
Es ist wichtig, dass Frauen lernen, ihre eigene Einstellung zu ändern und die Art und Weise, wie sie ihre Karriere gestalten, überdenken. Erstens müssen wir über das stereotype Denken hinausgehen. (Stereotypen sind nach Jahrhunderten strenger Geschlechtertrennung tief in uns verwurzelt und dominieren immer noch unsere Sicht auf die Regeln der Gesellschaft.) Das Bewusstwerden althergebrachter Einflüsse kann helfen, die Sicht der Dinge zu ändern.
Darüber hinaus ermutige ich Frauen immer, andere Frauen zu unterstützen. Unabhängig davon, ob sie ihre Karriere fortsetzen oder zu Hause bleiben wollen. Durch die gegenseitige Unterstützung – indem wir uns gegenseitig respektieren und den Beitrag des anderen schätzen – schaffen wir ein besseres Umfeld für alle.
Last but not least gibt es den Mythos, der besagt, man müsse vor dem 40. Lebensjahr Karriere gemacht haben. Forget it! Karrieren sind heute viel flexibler als früher und unser Arbeitsleben dauert Jahrzehnte. Diese «Karriere-Frist» hat deshalb ihre Gültigkeit verloren.
Wie sind Sie zu der Frau geworden, die Sie heute sind? Hatten Sie starke Frauenfiguren als Inspiration?
Die erste Person, die mich im Alter von 14 Jahren ermächtigte, war meine Grossmutter Teresa. Sie lehrte mich, dass ich erst lernen muss, Dinge selbst zu tun, bevor ich andere Menschen motivieren kann, diese Dinge für mich zu tun. Es ist eine sehr einfache und effektive Lektion und gleichzeitig eines der wichtigsten Prinzipien des Managements. Seitdem ist diese Lektion meine Inspiration und die Wurzel meiner Werte: Willenskraft, Demut und Optimismus.
Wie hoch sollte der Frauenanteil in einer Firma sein?
Die Stärkung und Einbeziehung von mehr Frauen führt nachweisbar zu besseren Ergebnissen und ist insgesamt sehr vorteilhaft für ein Unternehmen.
Frauen und Männer sollten in einer Firma gleichermaßen vertreten sein. Ich bin überzeugt, dass ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis von 45:55 in beide Richtungen der richtige Weg ist.
Ist das Zukunftsmusik?
IKEA Schweiz zeigt, dass dies schon heute Realität sein kann. Mit der Erreichung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses haben wir bewiesen, dass es möglich ist, sowohl die Anzahl angestellten Frauen auf allen Hierarchiestufen, als auch deren Löhne, anzugleichen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es erwiesen, dass gemischte Teams bessere Leistungen erbringen und geschlechtergerechte Unternehmen eine konstruktivere Unternehmenskultur leben. Die Reise hat jedoch gerade erst begonnen, und ich freue mich, dass immer mehr Unternehmen dieses Thema auf ihre Agenda gesetzt haben.
Aus dem Englischen übersetzt von Fatima Vidal
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