Carolina Müller-Möhl (*1968) ist Investorin und Philanthropin. Sie ist Gründerin und Präsidentin der Müller-Möhl Group und der Müller-Möhl Foundation und hat zahlreiche Ämter inne. Seit Jahren engagiert sie sich für Gleichstellungsthemen.
Frau Müller-Möhl, Sie setzen sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Was ist Ihre Motivation?
Carolina Müller-Möhl:Ich bin das, was ich auch von jedem anderen erwarte – ob Mann oder Frau: Ich bin gesetzestreu! Deshalb mach ich mich für die Umsetzung des Schweizerischen Bundesgesetzes von 1996 stark. Zudem vertraue ich meinem Verstand: Ich sehe keinen Grund, warum wir Frauen nicht gleichgestellt sein sollten.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Paare eine grosse Herausforderung. Welche Massnahmen braucht es, um Familien zu unterstützen?
Für viele Elternteile in der Schweiz ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig. Dies führt zu dem immer noch weitverbreiteten klassischen Lebensmodellentwurf: Der Mann verdient das Geld, die Frau übernimmt die Hausarbeit und Kinderbetreuung; sie fasst danach in vielen Fällen nie wieder Fuss auf dem Arbeitsmarkt, bis zu 40 Jahren. Die Folgen sind weitreichend und zeigen sich erst im Nachhinein: Die Frauen sind gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, von Altersarmut bedroht, es gibt weniger Geld in der Familienkasse, weniger Produktivität und Steueraufkommen und es stehen weniger Fachkräfte zur Verfügung. Wie kann man nun jeweils beiden Elternteilen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen? Die OECD hat der Schweiz zum wiederholten Male mit Nachdruck empfohlen: erstens: die Individualbesteuerung, zweitens: adäquate und bezahlbare Kinderbetreuung und drittens: Ganztagesschulen! Ohne diese drei Massnahmen ist in der Schweiz eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Eltern weiterhin nur mit grossen Abstrichen möglich.
Wieso ist die Steuerfrage bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie relevant?
Unser Steuersystem muss geändert werden, weil dieses auf einer Rollenverteilung des letzten Jahrhunderts beruht. Die Anreize sind heute noch falsch gesetzt: Wenn die Frau nach dem zweiten Kind wieder arbeiten geht, frisst in der Regel die Progression diesen Lohn wegen der gemeinsamen Steuerveranlagung und der Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung nahezu wieder weg. Was heisst das für die Frauen? Sie arbeiten faktisch umsonst, bzw. «Arbeiten lohnt sich für uns nicht». Dagegen erhebe ich Einspruch: Wir können es uns nicht leisten, weiterhin auf die vielen qualifizierten Frauen im Arbeitsmarkt zu verzichten. Eine Individualbesteuerung würde positive Arbeitsanreize setzen. Eltern, die dann beide arbeiten, haben mehr in der Familienkasse. Dies hat die Müller-Möhl Foundation mit einer neuen fundierten wissenschaftlichen Studie nachgewiesen.
Was empfehlen Sie jungen Frauen, die sich sowohl Karriere als auch Familie wünschen?
Seid mutig! Traut es euch zu und bleibt am Ball. Verabschiedet euch von falschen Idealen, die an euch herangetragen werden! Beruf und Karriere, Familie, gesellschaftliches Engagement und Freizeit unter einen Hut zu bekommen ist anstrengend, aber machbar und es zahlt sich für euch aus! Schafft euch ein Umfeld, das euch unterstützt, mit dem Partner an eurer Seite angefangen.
Können Sie nachvollziehen, wenn gut ausgebildete Mütter absichtlich ihre Karriere beenden und sich ganz der eigenen Kinderbetreuung widmen?
Natürlich kann ich das verstehen. Wir sind eine pluralistische Gesellschaft mit vielen unterschiedlichen Lebensentwürfen. Volkswirtschaftlich müssen wir aber darauf achten, dass wir bei den kostspieligen Bildungsinvestitionen in Frauen und Männer nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Dies ist dann der Fall, wenn berufliche Karrieren beendet werden oder kein beruflicher Aufstieg erfolgt und meist nur zu kleinen Pensen gearbeitet wird. Die hohen Ausbildungskosten, die wir alle mit unseren Steuerbeiträgen subventionieren, werden so nicht zurückbezahlt. Kurzum: Müttern, die berufstätig sind und mehr arbeiten wollen, dürfen wir heutzutage keinen Stein in den Weg legen!
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