Anne-Marie Pfister (*1948) eröffnete 1974 den ersten Frauenbuchladen der Schweiz in Basel. Sie war Basler Grossrätin und Gründungsmitglied des Literaturhauses Basel.
Frau Pfister, vor 45 Jahren eröffneten Sie den ersten Frauenbuchladen der Schweiz. Wie kam es dazu?
1968 wurde ich zwanzig und somit volljährig. Trotzdem durfte ich drei Jahre lang nicht abstimmen – das Frauenstimmrecht in der Schweiz wurde erst 1971 eingeführt. Zuvor war ich lange in Paris gewesen und als ich zurückkam wollte ich mich politisch betätigen, doch das war für Frauen nicht möglich. Diese Situation, für mich damals sehr schwierig zu akzeptieren, war die Grundmotivation für den Frauenbuchladen. Hinzu kam meine Vorliebe für Bücher von Autorinnen.
Wie sah das Angebot Ihres Ladens aus?
Der Laden war anfangs mehr ein politischer Buchladen. Frauenbücher gab es zu dieser Zeit ja noch nicht so viele. Erst 1975 kam mit «Häutungen» von Verena Stefan der grosse Durchbruch der Frauenbücher im deutschsprachigen Raum.
Mit der Zeit wurde der Buchladen zu einem Orientierungspunkt. Später gründete ich gemeinsam mit anderen Frauen das Frauenzentrum und das Frauenkafi.
Inhaltlich haben sich die Themen teilweise geändert. In den letzten Jahren sind viele Wander- und Naturbücher erschienen. Als wir jung waren, war Wandern unter jungen Menschen total verpönt. Doch ich habe neue Themen stets in das gesellschaftspolitische Konzept integrieren können.
Wer waren die Kund_innen?
Die Kunden waren stets gemischt, jedoch eher weiblich. Weil Frauen mehr lesen, ich Bücher zu frauenspezifischen Themen führte und bei mir die Kontaktstelle des Frauenzentrums war.
Was hat der Feminismus in der Schweiz bis jetzt erreicht?
Ich finde, der Feminismus in der Schweiz hat viel erreicht: Ich wuchs ohne Frauenstimmrecht auf, ohne neues Eherecht, ohne Gleichstellungsartikel. Wäre ich als junge Frau verheiratet gewesen, hätte ich meinen Mann fragen müssen, ob ich arbeiten darf. Ich hätte seine Einwilligung gebraucht, um ein Bankkonto zu eröffnen. Hätte er nach Zürich ziehen wollen, hätte ich mit ihm gehen müssen. Ich hätte nicht wissen dürfen, was er verdient …
Ich finde, es hat sich unheimlich viel verändert. Ich gehöre noch zur Generation Frauen, die angezeigt werden konnten, wenn sie unverheiratet mit einem Mann zusammenlebten.
Heute stehen andere Themen an, zum Beispiel, welche Möglichkeiten es gibt, um Lohngleichheit durchzusetzen.
Welche Autor_innen und welche Bücher sollten unsere Leser_innen kennen?
Ganz wichtig erscheint mir, dass überhaupt gelesen wird, weil Lesen in jeder Hinsicht weiterbringt. Mit jedem Buch ist es möglich, einen Schritt in eine andere Welt zu machen und sich weiterzuentwickeln.
Wenn ich ein Buch nennen sollte, dann das neu erschienene Buch von Eveline Hasler «Tochter des Geldes» über die Schweizer Kommunistin Mentona Moser. Ein Buch, das thematisch Frausein und Politik verbindet.