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Gute Migration

Als Jehan Mukawel (26) mit ihrer Familie aus Kurdistan floh, war sie keine 6 Jahre alt. Die Digitalisierungsexpertin und Nationalratskandidatin (2019) arbeitet im Bereich Entwicklungs- und Migrationspolitik. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für diverse politische Organisationen und setzt sich für Kinder mit seltenen Krankheiten ein.

Frau Mukawel, in der Presse wird Migration oft als problematisch dargestellt. Vor allem, wenn es um Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten geht. Wie ist das für Sie?

Jehan Mukawel: Vielen Leuten kommen bei diesem Thema Hunderte von negativen Schlagzeilen und Pressemitteilungen in den Sinn. Den meisten ist leider nicht bewusst, dass Menschen, die aus ihrem Land fliehen, die Flucht als allerletzte Option wählen mussten. Es ist ein schmerzvoller Schritt, Familie, Freundeskreis, Umgebung, alles, was man kennt, auf einmal verlassen zu müssen. Auch für mich und meine Familie war das so. Wie viele andere mussten wir vor rund 20 Jahren aus politischen Gründen aus unserem Land fliehen.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie weit Assimilation gehen soll. Für mich ist es klar, dass Flüchtlinge die Grundregeln ihres neuen Aufenthaltsortes beachten müssen. Auch, dass sie die Sprache des betreffenden Landes lernen sollten. Doch es braucht keine totale Assimilation. Es ist durchaus möglich, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, ohne die eigene Identität aufzugeben.
Die Schweiz ist mein Zuhause. Ich bin hier aufgewachsen und spreche, wie alle anderen auch, perfekt Schweizerdeutsch. Doch wegen meines Aussehens oder meines Namens werde ich oft automatisch auf Hochdeutsch angesprochen. Das lässt mich spüren, dass es für andere nicht so klar ist, wie für mich, dass ich nun Schweizerin bin mit kurdischen Wurzeln.
Ich durfte als Kind alles tun, was Kinder aus Schweizer Familien tun. Das hat mein Leben erleichtert. Gute Integration fängt bei den Eltern an. Wenn Sie das Kind begleiten, ist das einfacher, als wenn ein Kind zwischen «zwei Welten» leben muss.
Unabhängig meines Werdeganges bin ich der Ansicht, dass es auch «gute Migration» gibt, die der Schweiz gut tut.